Beweislastumkehr
Schon im römischen Recht galt die Unschuldsvermutung, woraus der
Grundsatz folgte: Wer beschuldigt, muss die Schuld beweisen.
1789 wurde der Grundsatz ausdrücklich in die Menschen- und Bürgerrechte
aufgenommen.
1953 wurde er in die Europäische Menschenrechtskonvention übernommen:
„Jeder, der einer strafbaren Handlung
angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis seiner Schuld als unschuldig.“
Fazit: Die Unschuldsvermutung hat historische Wurzeln seit der Antike, wurde 1789 erstmals modern kodifiziert und ist seit 1953 europaweit völkerrechtlich verbindlich, also im Sinne „europäischen Rechts“ (Europarat).
Neuerdings scheinen einzelne Politiker oder ganze Regierungen diesen Grundsatz als ärgerliche Behinderung ihrer Macht aufzufassen, die sie zu umgehen versuchen.
Nancy Faeser
BMI: Reform des Disziplinarrechts tritt in Kraft: Extremisten schneller aus dem öffentlichen Dienst entfernen
Nancy Faeser: „Disziplinarmaßnahmen können nun durch die zuständigen Behörden verhängt werden / Kein langwieriges Klageverfahren mehr
Bundesinnenministerin Nancy Faeser: "Wir sind eine starke Demokratie, die sich gegen ihre Feinde zu wehren weiß. Das zeigt unsere Reform des Disziplinarrechts, die ab dem 1. April gilt. Künftig können Verfassungsfeinde deutlich schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden. Das gilt es nun konsequent durchzusetzen. Denn wer den Staat ablehnt, kann ihm nicht dienen. Wir lassen nicht zu, dass unser demokratischer Rechtsstaat von innen heraus von Extremisten angegriffen wird.“
DPolG: Nicht mit uns, Frau Ministerin! Finger weg von rechtsstaatlichen Prinzipien!
Derzeit kursiert in den Social Media Kanälen ein Videoclip, in dem sich die Bundesinnenministerin, Nancy Faeser (SPD) vor dem Deutschen Bundestag dafür ausspricht, die Beweislast im Disziplinarverfahren künftig „umkehren“ zu wollen. Ziel sei es, dieses komplizierte, behördliche Beweisverfahren zu verändern.
Gemeint ist damit, dass die so genannte Unschuldsvermutung im Disziplinarrecht wegfallen soll. Kolleginnen und Kollegen, denen der Vorwurf gemacht wird, sich disziplinarwürdig verhalten zu haben, sollen also künftig dem Ankläger gegenüber ihre Unschuld beweisen müssen.
„Das ist der traurige Höhepunkt einer tief verwurzelten Misstrauenspolitik gegenüber meinen Kolleginnen und Kollegen des öffentlichen Dienstes und insbesondere der Sicherheitsbehörden.“, sagt Heiko Teggatz „Was kommt als Nächstes?“
Alexander Dobrind:
Daniela Seidel: Beweislastumkehr oder: Vom Recht zum Verdacht
Selten hat ein Angriff auf die Freiheit nicht mit einem moralisch unanfechtbaren Satz begonnen: „Wir wollen nur das Böse (das Virus, den Terror, die Demokratiefeinde) bekämpfen! Wer sich nichts hat zuschulden kommen lassen, hat nichts zu befürchten.“. So klingt auch die neue Forderung nach einer Beweislastumkehr bei unklaren Vermögenswerten:
Wer ehrlich erworbenen Reichtum besitzt, kann dies ja sicher lückenlos belegen. Clankriminalität und Geldwäsche werde hier der längste überfällige (und imho ohnehin nicht mehr zu gewinnende) Kampf angesagt. Sätze, die so beruhigend klingen wie die sanfte Hand des Staates auf der Schulter aller Rechtschaffenen, die sich allerdings schneller, als man: „Aber es ist doch nur eine Maske“ sagen kann, zu einem totalitären Würgegriff auswachsen kann.
Alexander Dobrindt möchte, so heißt es, mafiöse Strukturen austrocknen. Wer könnte da ernsthaft widersprechen? Doch das Problem liegt, wie so oft, nicht im Ziel, sondern in der Methode. Denn die Beweislastumkehr ist kein Mittel des Rechts, sondern des Misstrauens und invertiert somit dessen Sinn.
Im Rechtsstaat gilt: Der Staat muss beweisen, dass du schuldig bist.
Im Präventionsstaat gilt: Du musst beweisen, dass du unschuldig bist.
Der Unterschied klingt semantisch fein, ist aber zivilisatorisch galaktisch.
Es ist der Unterschied zwischen Bürger und Untertan.
Zwischen Freiheit und Konzession.
Genaugenommen zwischen Aufklärung und Vorsintflut.
(Hervorhebung: bm)