Lesefrüchte

Juli 2019

Hier sammeln wir Artikel, die auch über den Tag hinaus interessant sind.
Um die Übersichtlichkeit zu erhalten, verschieben wir ältere Empfehlungen ins „Archiv“.

 

  • Roland Rottenfußer: Die Verantwortungslüge  
    Der Neoliberalismus missbraucht unser Verantwortungsgefühl, um uns die Schuld für sein Versagen aufzuhalsen.
    „Es liegt an dir“, hören wir landauf, landab. Oder: „Sei selbst die Veränderung, die du in der Welt sehen willst.“ Das klingt so gut und ist so gut gemeint, dass sich sehr viele den Schuh anziehen und sich mit Schuldgefühlen plagen. Unser Verantwortungsbereich scheint immer mehr zu wachsen, während durch die autoritäre Politik der Mächtigen unser tatsächlicher Einfluss nach und nach schrumpft. Der Einzelne wird dazu angehalten, durch ethische Konsumentscheidungen auf eigene Kosten die Fehler von Politik und Wirtschaft zu korrigieren. Von „Eigenverantwortung“ wird immer dann gesprochen, wenn sich die Institutionen aus der Verantwortung zurückziehen. Und wenn sie uns eine Verschlimmerung unserer Situation aufzwingen wollen. Somit ist Eigenverantwortung heutzutage vor allem das Lieblingswort der Verantwortungslosen.

     

  • Jochen Mitschka hat einen langen, aber extrem lesenswerten Dreiteiler veröffentlicht, in dem er sich ausführlich mit Migration, dem Migrationspakt und den Ursachen für Migration befasst, sowohl in den Ausgangsländern, aber auch mit der strategischen Planung der globalen Eliten. Im letzten Teil zeigt er den Informationskampf um die Migration in der Bevölkerung durchzusetzen. 
    Migrationschaos in Deutschland: Teil 1 - Teil 2 - Teil 3 

     

  • Die Ächtung der Atomwaffen als Beginn nuklearer Abrüstung
    Berlin, 17. Juni 2019. Der Vorstand der Deutschen Kommission Justitia et Pax veröffentlicht eine Erklärung zur umfassenden Ächtung von Atomwaffen.
    In einem intensiven Reflexionsprozess hat die Deutsche Kommission Justitia et Pax die Erfahrungen jahrzehntelanger Atomwaffenpolitik, gegenwärtige Entwicklungen internationaler Politik und die Argumente Für und Wider Atomwaffen kritisch geprüft. Vor dem Hintergrund der katholischen Friedenslehre und der Haltung der Katholischen Kirche zu Atomwaffen kommt sie zu dem Schluss, dass weder der Besitz noch der Einsatz von Atomwaffen ethisch oder politisch zu rechtfertigen sei. Mit dieser Position unterstützt die Kommission die aktuellen Initiativen zu einer vollumfänglichen Ächtung der Atomwaffen. Außerdem versteht sich diese Erklärung als Beitrag zu einer notwendigen nationalen und internationalen Diskussion über die Ächtung von Atomwaffen, die den ersten wichtigen Schritt für die nukleare Abrüstung markiert. Nachfolgend finden Sie die Erklärung im Wortlaut, die sich als Zusammenfassung eines umfangreicheren Positionspapiers versteht. Dieses wird in Kürze in der Schriftenreihe „Gerechtigkeit und Friede“ der Deutschen Kommission Justitia et Pax in Deutsch und Englisch publiziert.
    Erklärung
    1. Mit wachsender Besorgnis nimmt die Deutsche Kommission Justitia et Pax eine stetige Verschlechterung des Klimas internationaler Beziehungen wahr. Die Abkehr von bewährten diplomatischen Gepflogenheiten wird zusätzlich von einem Abbau institutionalisierter Kontrollmechanismen für die atomare Rüstung und Abrüstung begleitet. Diese und andere Entwicklungen haben die Kommission veranlasst, ihre im Jahr 2008 veröffentlichte Bewertung der Strategie atomarer Abschreckung zu überprüfen. (...)
    Weiterlesen in „Justitia est Pax“.
    Lesenswert ist auch die Einschätzung dieses Papiers von Leo Ensel hier.

     

  • Volker Bräutigam und Friedhelm Klinkhammer: Falschmünzer 
    Der Artikel im Rubikon gibt einen sehr guten Überblick über das offizielle Narrativ zu Syrien und was dort wirklich geschah – UND wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk völlig einseitig das offizielle Narrativ beförderte und was sie alles ausgelassen haben. Vieles ist bekannt, aber der Artikel versammelt gutes Material, mit dem man arbeiten könnte. Dazu dient auch der Anhang mit zahlreichen Quellenangaben.
    So beginnt der Artikel:
    Systematischer Tendenzjournalismus, Nachrichtenunterschlagung und bellizistische Propaganda: Die Informationen der Tagesschau über das Massenmorden in Syrien sind beispiellos einäugig. Das ist ganz im Sinne der Bundesregierung. Deren Völkerrechtsbruch, grundgesetzwidrige Politik und strafrechtlich relevanter Friedensverrat sind dem Durchschnittszuschauer nicht bewusst. Dessen verzerrte Sicht auf die Kriege des US-Imperiums gegen den Rest der Welt erlaubt es den politisch Verantwortlichen in Berlin, sich fortgesetzt als friedliebende Demokraten und Verteidiger der Menschenrechte aufzuspielen.

     

  • Bei der Frage „Wer sind DIE da oben?“ kann man ja auf verschiedene Antworten kommen. Eine recht plausible liefert Fritz R Glunk: Schattenmächte. Wie transatlantische Netzwerke Regeln unserer Zeit bestimmen. Der Deutschlandfunk hat in seiner Besprechung des Buches die wesentlichen Erkenntnisse erstaunlich gut destilliert. Ein Zitat daraus:

    Wer ist verantwortlich für unsere Gesetze? Diese grundlegende Frage einer Demokratie steht am Anfang des Buchs von Fritz Glunk. Und der Autor räumt gleich auf mit unserer Vorstellung, dass es die vom Souverän – dem Volk – gewählten Abgeordneten sind. Deren Aufgaben hätten, so behauptet es Glunk, längst Gremien, Gruppen und Netzwerke übernommen, die meist nicht mal eine Rechtsform, dafür aber umso mehr Macht haben.
    (...)
    Schattenmächte nennt der Publizist Glunk die von ihm auf gut zweitausend geschätzten Körperschaften, die nicht Teil der internationalen Architektur etwa im Rahmen der UN sind. Glunk bezeichnet diese Gruppen als transnational. Einige wenige kennt man: Die G20 etwa, der Zusammenschluss der zwanzig angeblich wichtigsten Industrie-Nationen. Die mit Abstand meisten sind dagegen in der Öffentlichkeit völlig unbekannt, ihre Aufgaben obskur. Gemeinsam ist ihnen der informelle Rahmen, offiziell wird nur miteinander geredet. Deshalb können Entscheidungen transnationaler Netzwerke auch von niemandem kontrolliert oder gar angefochten werden. Und das, obwohl in vielen dieser Gruppen globale Industriebranchen ihr eigenes Recht gestalten. Ohne Aufsicht durch gewählte Volksvertreter, wie Glunk am Beispiel des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht zeigt.

    Interessant ist auch das Gespräch, das KenFM mit Fritz R. Glunk geführt hat.  
    Nachtrag: Habe das KenFM-Gespräch nochmal angehört. Es gehört zu den besten. Glunks präzise Denk- und Ausdrucksweise ist faszinierend. Der Autor vom Deutschlandfunk kennt zumindest den Anfang, die Ähnlichkeit ist unverkennbar.

     

  • Dagmar Henn: „Die Lüge, die infame Lüge und Bertelsmann“ ist zwar Tagesdosis bei KenFM und handelt u.a. von der Bertelsmann Studie zur Klinkversorgung. Sie reicht aber über den Tag hinaus, indem sie Methoden zur effizienten Politikbeeinflussung durch den weit verzweigten Bertelsmann-Konzern aufzeigt. 
    Zitat:
    Wenn man erkennen will, auf welche Art und Weise die Demokratie in unserem Land zur Farce und die Politik zur Interessensverwaltung der Großkonzerne wird, dann muss man nur einen näheren Blick auf Bertelsmann werfen. Und das Bild des Kraken ist für diesen Konzern passgenau – er tarnt sich gut, bleibt beständig unter der Wasseroberfläche, hält fest, was er greifen kann, und verwischt seine Spuren im Notfall in einer Tintenwolke. Bertelsmann schlägt die Beraterfreunde der Frau von der Leyen, KPMG und Co., schon allein deshalb um Längen, weil es das Komplettpaket aus Lobbyismus, medialer Begleitung und letztlich ökonomischer Verwertung perfektioniert hat.
    Ein Bertelsmann-Institut erstellt Studien, weitere Bertelsmann-Einrichtungen vermitteln diese (Abendessen eingeschlossen) an die Politik, Bertelsmann-Medien verbreiten diese Sicht in der Bevölkerung, andere Bertelsmann-Abteilungen formulieren die Gesetze vor, und am Schluss profitieren Bertelsmann-Töchter von der dadurch geschaffenen Lage, sichern sich Aufträge oder weiten ihre wirtschaftlichen Beteiligungen aus.

     

  • André Vltchek: „Der Grund, weshalb der Westen entschlossen ist, Chinas Erfolg zu ignorieren“ Eine kurze und lesenswerte Darstellung der Erfolge Chinas unter Xi Jinping von einem Bewunderer dieser Leistung. 
    Vltchek geht allerdings nicht auf ein Thema ein, das im Westen bis zu den Linken für Verstörung und Debatten sorgt, nämlich Chinas Sozialkreditsystem. Der westlichen liberalen bis neo-liberalen Denkweise läuft es krass zuwider, durch die chinesische Brille sieht es anders aus, wie ein Vortrag bei Weltnetz-TV zeigt. Dort wird vor allem deutlich, dass es DAS Sozialkreditsystem noch nicht gibt, sondern 40 verschiedene Versuchsprojekte, wo Wege ausprobiert, verworfen oder laufend verändert werden. Ziel ist nicht bloß den einzelnen Bürger zu sozialverträglichem Verhalten zu bewegen, sondern vor allem auch Firmen, Behörden und Leitungen der verschiedenen Gebietskörperschaften. Deswegen bewertet die Bevölkerung  die Versuche um dieses Sozialkreditsystem zu 80% positiv. 

     

  • Uranmunition: Leider immer noch aktuell und in den nächsten paar Millionen Jahren auch noch. Gerd Schumann: Das lange Schweigen
    Siehe hierzu auch: Einsatz von Uranmunition: “Ich werde die NATO verklagen.” Für die NachDenkSeiten sprach Moritz Enders mit dem Anwalt Srđan Aleksić.

     

  • Diego Fusaro: „Die Narren aus dem linken Spektrum bekämpfen einen nicht-existenten Faschismus und akzeptieren den Markt“ 
    In der Einleitung heißt es: „ Diego Fusaro ist einer der am meisten kontroversen Intellektuellen in Italien, da er eine ideologische Position vertritt, die konservative und linke Positionen kombiniert. Er ist ein Marxist, und er bezieht sich auf Gramsci, Pasolini und Costanzo Preve. Gleichzeitig ist er Anti-Globalist und für Souveränität, und damit vertritt er Positionen, denen auch viele Salvini-Anhänger zustimmen würden. (...) Fusaro hat heterodoxe Gedanken, die Kritik von beiden Seiten anzieht, und er wurde oft sowohl als Roter als auch als Faschist gebrandmarkt. Das gilt auch für jene, die ihn interviewt haben und sie werden beschuldigt, dass sie die Aufmerksamkeit auf ihn lenken. Wir tragen hier gerne dieses Risiko, denn die Ideen dieses modernen Philosophen der italienischen Politik verdienen es, bekannt zu werden.“ 

    Und hier noch drei Zitate von Fusaro selbst: 

    „Der Knecht muss für national-populäre Souveränität kämpfen, auf der Grundlage der Demokratie der sozialen Rechte.“ 

    „Die EU ist die Entpolitisierung der Ökonomie und die Einsetzung der Interessen des kosmopolitischen Kapitals gegen nationale Gemeinschaften.“ 

    „Wir müssen dem Weltbürgertum entfliehen, das Nationen zerstört. Und dem Nationalismus entfliehen, der ein egoistischer Gedanke ist, der sich nur auf eine einzelne Nation bezieht.“

     

  • Jonathan Cook: Das Komplott mit dem Ziel, Jeremy Corbyn von der Macht fernzuhalten
    Jeremy Corbyn ist aus der Sicht der etablierten Herrschaft ein „Unfall“. Wie nun die etablierten Kräfte darauf reagieren, mit welchen Mitteln sie arbeiten, um zu verhindern, dass so jemand an die Macht kommt, das beschreibt sehr ausführlich und anschaulich dieser Artikel. Er zeigt die erschreckend absurden Blüten einer McCarthy-Hexenjagd, an der sich wie selbstverständlich auch Dienste der Hegemonialmacht beteiligen. 
    Der Hoffnungsschimmer am Ende des Artikels: „Unfälle wie Corbyn werden sich häufiger ereignen, ebenso extreme Klimaereignisse und Wirtschaftskrisen. Die Machtstrukturen, die dafür da sind, solche Unfälle zu verhindern, werden zwangsläufig tolpatschiger, kriegerischer und weniger verborgen sein, um ihren Willen durchzusetzen. Und wir könnten endlich verstehen, dass ein System, das entwickelt wurde, um uns zu ruhigzustellen, während einige auf Kosten unserer Kinder und unserer eigenen Zukunft reich werden, nicht fortbestehen muss.“

     

  • Norbert Häring liefert hier wichtige Hintergrund-Information zum Verhältnis von Konzernen und UNO: Der Griff der Großkonzerne nach der Weltherrschaft

     

  • Paul Schreyer zur Pressefreiheit: „Ist Julian Assange ein Journalist?“
    Zitat:
    „Die Pressefreiheit ist in den meisten Verfassungen verankert. Aktuell wird in den USA jedoch versucht, ihren Gültigkeitsbereich einzuschränken. Sie soll dort lediglich noch für Bürger gelten, die von der Regierung auch als Journalisten akzeptiert werden. “

     

  • Den meisten Menschen ist nicht klar, dass die Nachrichtenagenturen (dpa, afp, Reuters) eine wichtige Rolle dabei spielen, wenn wir uns über den Gleichklang in der deutschen Medienlandschaft wundern. Die wichtigste deutsche, die DPA, feierte gerade ihren 70. Geburtstag. Tobias Riegel beleuchtet aus dem Anlass diese Rolle:
    70 Jahre Deutsche Presse-Agentur - 70 Jahre (konstruierte) „Seriosität“ 
    Der Artikel enthält viele Links auf andere Veröffentlichungen, auf eine wichtige zum Thema sei hier extra hingewiesen: 
    Swiss Propaganda Research:
    Der Propaganda-Multiplikator 
    Sie schreiben: „Der größte Teil der internationalen Nachrichten in all unseren Medien stammt von nur drei globalen Nachrichtenagenturen aus New York, London und Paris.“

     

  • Norman Paech: Israel: Demokratie, Apartheid und BDS - Einige Anmerkungen zur Antisemitismus-Debatte

     

  • Nachdem über das „Phänomen“ Rezo nun einige Wochen debattiert wurde, kann man (wie immer ein vorläufiges) Urteil bilden. Sönke Hundt gibt in Weltnetz.TV einen guten Überblick über die Debatte und und zieht ein ziemlich gut begründetes Fazit: Eine Sensation für die öffentliche Meinung

     

  • Zur Debatte um die Seenotrettung der Kapitänin Rackete gibt hier es zwei wichtige Überlegungen, die sich ergänzen:
    - kranich05 im OpaBlog: Menschenrechte, Imperialismus und Gesellschaftsspaltung 
    - Andreas Richter: Die „Seenotrettung“ und der Moralimperialismus der Gutdeutschen