Lesefrüchte

November 2025

 

Hier sammeln wir Artikel, die auch über den Tag hinaus interessant sind und zitieren Auszüge. Um die Übersichtlichkeit zu erhalten, verschieben wir ältere Empfehlungen ins „Archiv“.

 


Lesefrüchte im vergangenen Monat    
Dominik Pietzcker: Europa ohne Kompass: Wie ein Kontinent seine Zukunft verspielt
Jochen Mitschka:
Qualitäts-Fake-News erkennen

Wolfgang Bittner: Ist Deutschland souverän? Kann Deutschland neutral werden? 


 

Dominik Pietzcker: Europa ohne Kompass: Wie ein Kontinent seine Zukunft verspielt

Was ist eigentlich Europa? Wenn man all die Theaterkulissen, die vollmundigen Überhöhungen als europäische Wertegemeinschaft, die selbstreferenzielle Berufung auf das griechisch-römische Erbe und die Beschwörung der christlich-abendländischen Tradition einmal beiseiteschiebt, präsentiert sich Europa in der Lebensrealität seiner heutigen Bewohner eher unglamourös als ein Lifestyle der ungenutzten Möglichkeiten. Europa verkörpert weniger eine schlüssige politische Idee als vielmehr einen Lebensstil, einen way of life. Wie lässt sich dieser umschreiben? Selbstbezüglich und bequem, verwöhnt und moralisierend, überheblich und weltfremd. Es ist unwahrscheinlich, dass dieses Lebensmodell auch in Zukunft erfolgreich fortgeführt werden kann.

Der European way of life ist ein Caffè Latte aus Hafermilch und nachhaltig angebauten Kaffeesorten, zugleich magenfreundlich und angenehm stimulierend. Nur keine Bitterstoffe!

Es geht weiter im Text in kabarettistischem Stil eines Dieter Nuhr; wer das mag, kann im Originaltext weiterlesen. Interessanter ist der Schluss des Artikels hier:

Die europäischen Staaten sind weit davon entfernt, gemeinsam eine Weltmacht darzustellen. Entsprechend geringschätzig werden sie neuerdings vom Rest der Welt wahrgenommen und behandelt.

Die Abrissbirne aus Amerika
Der rapide Ansehensverlust Europas hängt auch mit dem grobianischen Auftreten Donald Trumps zusammen. Der letzte Triumphator der westlichen Welt macht keinen Hehl daraus, was er wirklich über die Europäer denkt. Als Zuschauer des politischen Medienspektakels muss man bloß vergleichen, welchen Respekt Trump den Staatsführern Russlands und Chinas entgegenbringt und welch Bild der Ohnmacht dagegen die verzwergten europäischen Staatschefs in Washington hinterlassen. Kommissionspräsidentin von der Leyen – ist sie nicht die mächtigste Frau Europas? – wird einfach auf einen privaten Golfplatz Donald Trumps einbestellt und darf dort Strafzölle abnicken. An diese Form der Behandlung werden sich Europäer gewöhnen müssen – allein schon deswegen, weil sie es sich gefallen lassen. Bei diesen Bildern lernt man wieder, was Schamgefühl bedeutet, das unfreiwillige Beiwohnen der eigenen Unwürdigkeit.

Diese neue Realität der europäischen Demütigung wird selbstverständlich auch außerhalb der westlichen Welt genau registriert. Die Vereinigten Staaten haben die europäische Sicherheitsordnung nach 1945 aufgebaut und garantiert – jetzt sind sie dabei, diese wieder einzureißen. Darauf war Europa wahrlich nicht vorbereitet und steht nun ziemlich rat- und orientierungslos da. Die Hektik der Krisengipfel und Konsultationen täuscht nicht darüber hinweg, wie uneinig, unorganisiert und unstrukturiert Europa nach außen auftritt. Wie konnte man über so viele Jahrzehnte so naiv sein?

Hedonismus als Lebensprinzip
Das heutige Europa ist ein Kind der 1990er-Jahre. In diesem Jahrzehnt wurden die gegenwärtigen europäischen Entscheider sozialisiert. Es waren die sorglosen Jahre des westlichen Triumphs über das sowjetische Gegenmodell. Nicht von ungefähr boomte auch das hedonistische Nachtleben. Investmentbanker tanzten bis ins Morgengrauen im Frankfurter Dorian Gray, schwäbische Automobilmanager mieteten den Perkins Park für die Geburtstagspartys ihrer Töchter, und im Herzen Europas, in Berlin, schlug mit Techno der neue Beat des zu Ende gehenden Jahrhunderts. Experimentell und langweilig zugleich erlebte Europa seine ökonomische und popkulturelle Hochblüte.

Die Exportindustrien boomten, westliche Marken, Managementmodelle und Kunstwerke wurden weltweit zu ikonischen Kulturgütern erhoben. Das europäische Verständnis von staatlicher, wirtschaftlicher und moralischer Ordnung entfaltete eine enorme Strahlkraft nach außen. Das alles war natürlich nur eine Projektion, wenn auch eine temporär höchst wirksame. Die Europäer glaubten (und glauben bis heute) ihrer eigenen Erzählung von ökonomischer Dominanz und gesellschaftlicher Offenheit. Diese Gewissheit hat sich tief in die europäische Mentalität eingeschrieben. Das liberale Zeitalter ist beerdigt worden, ohne dass es die Europäer bemerkt hätten.
Genau diese Blindheit ist Teil des heutigen Problems. Europa klammert sich an die Erfolge der Vergangenheit und droht dabei, seine Zukunft zu verlieren. Die Grundhaltung lautet: Was gestern funktioniert hat, kann doch nicht heute auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen werden. Doch, kann es – und sollte es sogar dringend.

Geliebtes Europa, so herbstlich und so desolat! Die Strategiepapiere aus Thinktanks, Ministerien und Konzernzentralen haben eines gemeinsam, es fehlt ihnen an Schonungslosigkeit in der Analyse und Überzeugungskraft in der Umsetzung. Ihre Prämisse ist der Standpunkt eigener Stärke, diese jedoch ist längst verloren gegangen. So wirken alle Empfehlungen und Szenarien wie Herbstlaub, von bunter Tönung, doch ohne Vitalfunktion.

Rückblickend wäre mehr drin gewesen als der Kontinent der Angst, als der sich das heutige Europa präsentiert. Die Verantwortung und die Folgen für die Blindheit, Konzeptlosigkeit und Weltfremdheit, die uns in die aktuelle Sackgasse manövriert haben, tragen wir jedoch selbst.

 


 

Jochen Mitschka: Qualitäts-Fake-News erkennen

Fake-News werden von „Faktencheckern“ ja nur in „umstrittenen“ Internetseiten gefunden. Aber Tatsache ist, dass die schlimmsten Fake-News von Qualitätsmedien verbreitet wurden und mitverantwortlich für den Tod von Millionen Menschen sind.

Ich hatte vor geraumer Zeit gemeinsam mit Tim Anderson ein Essay verfasst, das helfen sollte, Fake-News zu erkennen, wenn sie von Qualitätsmedien und Politik verbreitet werden. Bis heute hält sich z.B. sogar auch bei Befragung von Grok die Aussage, „Assad hat sein Volk vergast“. Aus zwei Gründen wurde das Buch schließlich nicht veröffentlicht. Erstens wurden die Fake-News immer einfacher durchschaubar, und zweitens waren die Ressourcen des herausgebenden Vereins beschränkt, und wichtigere Projekte gerieten in den Vordergrund. Hier nun aber nur das Nachwort, welches vielleicht ein bisschen wieder in Erinnerung ruft, womit wir es zu tun haben.

Projektion
Anstelle eines Nachworts, hier eine Erklärung aus der Psychoanalyse. Projektion nennt man in der Psychologie das Verhalten, wenn man anderen Menschen Eigenschaften, Schwächen oder Probleme zuschreiben, die man selbst offen oder versteckt in sich trägt. Politik und Medien sind besonders aktiv darin. Ein zu offensichtliches Beispiel konnte man am 14. März 2020 auf Twitter lesen. Dort veröffentlichte das Bundesministerium für Gesundheit folgenden Tweet:

„Rotes Ausrufezeichen -Achtung Fake News  Rotes Ausrufezeichen“

Es wird behauptet und rasch verbreitet, das Bundesministerium für Gesundheit / die Bundesregierung würde bald massive weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens ankündigen. Das stimmt NICHT! Bitte helfen Sie mit, ihre Verbreitung zu stoppen.“ [1]

Aber schon am 22. März, also nur 8 Tage später, wurde die angebliche Fake-News zu Regierungshandeln, und der erste Corona-Lockdown trat in Kraft. Es wurde zwar keine allgemeine Ausgangssperre verhängt, aber ein Kontaktverbot erlassen.

Nun war also die Nachricht vom 14. März eine Fake-News geworden. Aber das waren ja nur die harmlosen Beispiele.
Wenn man zurückblickt zur Vogelgrippe oder zur Schweinegrippe, erkennt man, welche riesigen Fake-News Regierungen in die Welt setzten, und Medien weitgehend kritiklos verbreiteten. Bis arte im November 2009 endlich Aufklärung betrieb:

„Ein lebensgefährlicher Virus scheint seit Mai 2009 die Menschheit zu bedrohen. Seit die ersten Fälle der so genannten Schweinegrippe in Mexiko gemeldet wurden, steht die Welt Kopf. Jeden Tag sterben angeblich mehr und mehr Menschen an dem vermeintlich neuen Virus. Doch Experten und Politiker wie Wolfgang Wodarg bezweifeln, dass das stimmt: ‚Diese Viren sind jetzt nicht gefährlicher als schon im letzten Jahr. Die WHO spielt die Zahlen hoch und macht unnötig Panik. Die Entscheidung für eine Pandemie war unsinnig‘.

Im Juni ruft die WHO die erste Influenza-Pandemie des 21. Jahrhunderts aus, obwohl schon bald feststeht, dass der H1N1 Erreger in seiner jetzigen Form harmlos ist. Steht die Entscheidung der Weltgesundheitsorganisation im Verhältnis zur tatsächlichen Bedrohung? Oder schürt sie einfach nur Angst und Hysterie? Reagieren die Behörden verantwortlich oder ist ihr Verhalten von Panik geprägt? Wer profitiert von der Krankheit? Jutta Pinzler und Stefanie Schwalfenberg haben Vertreter der WHO, Politiker, Wissenschaftler, aber auch Pharmavertreter danach gefragt.

Nach Ausrufung der Pandemie durch die WHO beginnt ein großer Medikamentenkaufrausch. Weltweit decken sich Regierungen mit Grippemitteln ein und bestellen für Milliarden Impfdosen. Grippemittel, deren Wirkung fraglich ist und Impfdosen, von denen Kritiker behaupten, dass sie nicht ausreichend getestet seien.“ [2]

Aber noch schlimmer war das Verbreiten von Fake-News bei der Vorbereitung und Durchführung von Kriegen. Man erinnere sich nur an die neuesten Fake-News in Verbindung mit der Bombardierung Libyens. Nachdem das Land in Schutt und Asche bombardiert worden war, und das reichste und sozial fortschrittlichste Land des Kontinents im Chaos versank, wo es bis heute verbleibt, während Terrorismus von Boko Haram profitierte, stellte die Bundesregierung nüchtern fest, dass es keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür gab, dass Gaddafi seine Zivilbevölkerung ermorden wollte. Was aber der Grund für die Bombardierung und Tötung von zehntausenden von Menschen war.

Hier oder hier weiterlesen



Wolfgang Bittner: Ist Deutschland souverän? Kann Deutschland neutral werden? Versuch einer Klärung

Was hat es mit dem immer öfter zu hörenden Ruf nach einem bündnis- und blockfreien Deutschland auf sich? Könnte das heutige Deutschland tatsächlich aus der NATO austreten? Bestehen dafür die Voraussetzungen, und zwar nicht nur auf dem Papier? Wie souverän ist also das Land in der Mitte Europas?

Jüngst ist der Ruf nach einer Neutralität Deutschlands aufgekommen, die bereits 1952 von Josef Stalin vorgeschlagen worden war. Damals hatte er den anderen drei Hauptsiegermächten des Zweiten Weltkriegs das Angebot unterbreitet, über einen Friedensvertrag mit Deutschland zu verhandeln. Bedingung war die Neutralität eines künftigen vereinten Deutschlands gewesen, die unter polnischer Verwaltung stehenden Ostgebiete ausgenommen. Da zur selben Zeit unter der Regierung Adenauer in Geheimverhandlungen bereits die Wiederbewaffnung und der Beitritt zur NATO beschlossen worden waren, hatten die westlichen Alliierten den sowjetischen Vorschlag boykottiert. Auch Konrad Adenauer hatte ihn als unseriöses "Störmanöver" zurückgewiesen, mit dem die Westintegration der BRD blockiert werden sollte, und damit die Chance für eine selbstbestimmte deutsche Politik vergeben.

Stattdessen blieben die beiden deutschen Relikte, denen von den Siegermächten nach der bedingungslosen Kapitulation die Souveränität aberkannt worden war, unter Fremdbestimmung, die erst nach und nach gelockert wurde. Nach herrschender Meinung erhielt dann die Bundesrepublik Deutschland als "mit dem Deutschen Reich identisches Völkerrechtssubjekt" durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 die "volle Souveränität" zurück (Artikel 7, Absatz 2), sodass – theoretisch – eine Neutralität Deutschlands heute erreichbar wäre.
Das ist die offizielle Faktenlage. Aber die Zubilligung der Souveränität ist durch Zusatzverträge, zum Beispiel den Truppenstationierungsvertrag, die NATO-Mitgliedschaft, das Militärbündnis für "Ständige Strukturierte Zusammenarbeit" (PESCO), sonstige militärische und wirtschaftliche Vereinbarungen sowie die übergeordnete EU-Gesetzgebung relativiert worden. Insbesondere der außenpolitische Handlungsspielraum ist aufgrund der alliierten Vorbehaltsrechte und Einflussmöglichkeiten eingeschränkt.

Zwar können Abkommen wie der Truppenstationierungsvertrag oder der NATO-Vertrag gekündigt werden, Deutschland könnte auch aus der EU austreten, es ist jedoch außerordentlich fraglich, ob eine deutsche Regierung diesen Schritt wagen würde bzw. sich gegenüber den USA und Großbritannien behaupten könnte. Bekannt ist außerdem, dass sich die USA an keine Verträge halten, sobald sie ihrer jeweiligen Regierung nicht mehr passen.
Im Völkerrecht ist Souveränität nach älterer Rechtsauffassung die absolute Hoheit eines Staates über sein innen- und außenpolitisches Handeln. Das ist für Deutschland erkennbar nicht gegeben. Doch nach neuerer völkerrechtlicher Auffassung kann ein Staat durch Verträge mit anderen Staaten von bestimmten Rechten absehen, also eine Einschränkung seiner Souveränität selbstbestimmt vornehmen. Das könnte für Deutschland infrage kommen. Allerdings sind verschiedene Einschränkungen, denen Deutschland unterliegt, nicht selbstbestimmt.

Hier oder hier weiterlesen






.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lesefrüchte Oktober 2025

Lesefrüchte September 2025

Lesefrüchte August 2025

Lesefrüchte Juli 2025

Lesefrüchte Juni 2025

Lesefrüchte Mai 2025

Lesefrüchte April 2025

Lesefrüchte März 2025

Lesefrüchte Februar 2025

Lesefrüchte Januar 2025

Lesefrüchte Dezember 2024

Lesefrüchte November 2024

Lesefrüchte Oktober 2024

Lesefrüchte September 2024

Lesefrüchte August 2024

Lesefrüchte Juli 2024

Lesefrüchte Juni 2024

Lesefrüchte Mai 2024

Lesefrüchte April 2024

Lesefrüchte März 2024

Lesefrüchte Februar 2024

Lesefrüchte Januar 2024

Lesefrüchte Dezember 2023

Lesefrüchte November 2023

Lesefrüchte Oktober 2023

Lesefrüchte September 2023

Lesefrüchte August 2023

Lesefrüchte Juli 2023

Lesefrüchte Juni 2023

Lesefrüchte Mai 2023

Lesefrüchte April 2023

Lesefrüchte März 2023

Lesefrüchte Februar 2023

Lesefrüchte Januar 2023

Lesefrüchte Dezember 2022

Lesefrüchte November 2022

Lesefrüchte Oktober 2022

Lesefrüchte September 2022

Lesefrüchte August 2022

Lesefrüchte Juli 2022

Lesefrüchte Juni 2022

Lesefrüchte Mai 2022

Lesefrüchte April 2022

Lesefrüchte März 2022

Lesefrüchte Februar 2022

Lesefrüchte Januar 2022

Lesefrüchte Dezember 2021

Lesefrüchte November 2021

Lesefrüchte Oktober 2021

Lesefrüchte September 2021

Lesefrüchte August 2021

Lesefrüchte Juli 2021

Lesefrüchte Juni 2021

Lesefrüchte Mai 2021

Lesefrüchte April 2021

Lesefrüchte März 2021

Lesefrüchte Februar 2021

Lesefrüchte Januar 2021

Lesefrüchte Dezember 2020

Lesefrüchte November 2020

Lesefrüchte Oktober 2020

Lesefrüchte September 2020

Lesefrüchte August 2020

Lesefrüchte Juli 2020

Lesefrüchte Juni 2020

Lesefrüchte Mai 2020

Lesefrüchte April 2020

Lesefrüchte März 2020

Lesefrüchte Februar 2020

Lesefrüchte Januar 2020

Lesefrüchte Dezember 2019

Lesefrüchte November 2019

Lesefrüchte Oktober 2019

Lesefrüchte September 2019

Lesefrüchte August 2019

Lesefrüchte Juli 2019

Texte bis Juni 2019
Links bis Juni 2019

„Aktuelles 2019“