Lesefrüchte

Juli 2022

 

Hier sammeln wir Artikel, die auch über den Tag hinaus interessant sind und zitieren Auszüge. Um die Übersichtlichkeit zu erhalten, verschieben wir ältere Empfehlungen ins „Archiv“.

 


Lesefrüchte im vergangenen Monat  
Tom J. Wellbrock: Volksaufstände oder Unterwerfung
Bernd Hontschik:
Heile und Herrsche! Eine gesundheitspolitische Tragödie
Susanne Wolf: Eine Pflanze als Corona-Heilmittel?
Bernhard Loyen:
Evaluationsbericht: Lauterbach "fand das Gutachten spannend"


 

Tom J. Wellbrock: Volksaufstände oder Unterwerfung – wie werden die Deutschen im Herbst reagieren?

Wann es anfing, ist schwer zu sagen, wann wir also unsere Freiheit bereitwillig abgegeben haben. Ganz sicher allerdings hatte der Beginn des Neoliberalismus unter Gerhard Schröder (SPD) erheblichen Einfluss auf die Bereitschaft, die eigene Freiheit in die Hände anderer zu legen. Dabei mag widersprüchlich wirken, dass ausgerechnet die Denkrichtung, laut derer jeder seines Glückes Schmied sei, die Unterwerfung fördere, muss man es doch als Freiheit bezeichnen, sein Glück selbst in der Hand zu haben. Doch die neoliberale Denkweise ist ein grundsätzlicher Widerspruch zur Freiheit, es sei denn, sie betrifft einige wenige Auserkorene.

Konstruierte Freiheit

Freiheit hat viele Gesichter, ihr Fehlen ebenso. Machen wir uns aber an dieser Stelle ein konkretes Bild der Freiheit anhand der Arbeit:

Ein Lagerarbeiter in den 1970er Jahren war in der Lage, seine Familie zu ernähren, inklusive eines Urlaubs einmal im Jahr. Er besetzte in aller Regel eine unbefristete Stelle, Kündigungen kamen in solchen Konstellationen nur selten vor, es sei denn, der Arbeiter ließ sich etwas zuschulden kommen. Vielfach wurde bis zur Rente im selben Unternehmen gearbeitet.

Ein Lagerarbeiter im Jahr 2022 kann üblicherweise keine Familie ernähren, er muss bereits kämpfen, um als Alleinstehender über die Runden zu kommen. Je nachdem, wo er lebt, können allein die Kosten für die Miete schmerzliche Folgen haben. Unbefristete Arbeitsverträge sind eine Seltenheit, die Wahrscheinlichkeit, nicht lange im Unternehmen zu bleiben, ist hoch.

Die Unterschiede zwischen diesen Konstellationen liegen auf der Hand. Die Antwort auf die Frage der Qualität der jeweiligen Freiheit ist eklatant. Heute haben kaum Menschen ihr Glück in der eigenen Hand, vielmehr sind sie darauf angewiesen, auf dem Arbeitsmarkt einen Platz zu ergattern, der jedoch nur zeitlich begrenzt so etwas wie Sicherheit vermittelt. Von der Unterschicht bis in die mittlere Oberschicht breitet sich Unsicherheit aus, Zukunftsplanungen werden immer schwieriger, Gedanken etwa an ein Eigenheim sind für immer mehr Menschen unrealistisch, weil a) das Einkommen zu gering ist und b) die beruflichen Rahmenbedingungen eine Finanzierung nahezu unmöglich machen.

Seit dem Beginn der Corona-Episode sind zahlreiche weitere Freiheiten eingeschränkt, zuweilen sogar vollständig aufgehoben worden. Und auch im Zuge der Energiekrise, ausgelöst durch die Reaktionen deutscher Politik auf die Konfrontation zwischen Russland und der Ukraine, wird die Freiheit weiter beschnitten. Steigende Preise, stagnierende oder sinkende Löhne, Renten und Sozialleistungen, die weit hinter den Steigerungen der Lebenshaltungskosten zurückbleiben, führen zu immer weniger Freiheit und zu immer mehr Druck auf die Bevölkerung.

Die Frage, die Politik, Medien und zahlreiche wissenschaftliche Fachrichtungen umtreibt, ist verständlicherweise die nach der Antwort der Bevölkerung. Hatte Baerbock recht mit ihrer Furcht vor Volksaufständen? 
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Bernd Hontschik: Heile und Herrsche! Eine gesundheitspolitische Tragödie
(Westend-Verlag) Hier folgen Auszüge aus der kurzen Einleitung

1 Worum es geht 
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Im Kommunistischen Manifest schrieben Karl Marx und Friedrich Engels schon 1848: »Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen.« Diese Beschreibung des Prozesses der Kapitalexpansion als Ausbreitung »über die ganze Erdkugel« wird in heutigen Analysen der Globalisierung und des Imperialismus häufig herangezogen, um Marx und Engels fast hellseherische Fähigkeiten zuzuschreiben. Sie schrieben damals weiter: »Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat ... den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, ... die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden. ... An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander.«1

Neben der Globalisierung gibt es jedoch noch einen anderen wichtigen Weg der Kapitalexpansion. Während die Globalisierung als externe, als zentrifugale Expansion beschrieben werden kann, so geschieht - zeitgleich - eine nach innen gerichtete, eine zentripetale Expansion, bei der immer mehr Bereiche der wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten innerhalb eines Landes unter die Kontrolle des Kapitals gebracht werden. Diesen Prozess bezeichnet man beschönigend als »Privatisierung«. Er bedeutet aber nichts anderes als die Expansion kapitalistischer Produktions- und Distributionsmethoden in bislang staatliche, öffentliche oder gemeinnützige Tätigkeiten hinein. Diese Kapitalexpansion ist im Bildungswesen zu erkennen, wo sich in den letzten Jahrzehnten gewinnorientierte Universitäten und Privatschulen ausgebreitet haben. Sie ist zum Beispiel auch in der Auslagerung der Verwaltung von Sozialhilfeprogrammen an private Firmen zu erkennen, sogar privatwirtschaftlich geführte Gefängnisse gibt es schon. Diese Veränderungen sind im Einzelfall sehr unterschiedlich. Allen gemeinsam ist aber eine umgehende Verschlechterung der Bezahlung, der Arbeitszeiten und der Personalplanung. Oder um es noch einmal mit Marx und Engels zu sagen: »Die Bourgeoisie hat alle bisher ehrwürdigen und mit frommer Scheu betrachteten Tätigkeiten ihres Heiligenscheins entkleidet. Sie hat den Arzt, den Juristen, den Pfaffen, den Poeten, den Mann der Wissenschaft in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt.«2

Die Privatisierung als Destruktionsprozess ist an den Veränderungen des Gesundheitswesens, wie sie hierzulande in den letzten drei bis vier Jahrzehnten geschehen sind, am deutlichsten zu erkennen. Diese Destruktion geschieht in ganz kleinen, fast unmerklichen Schritten, weswegen sie in der Öffentlichkeit kaum zu erkennen ist. Aber sie geht immer in die gleiche Richtung, das ist das Gefährliche daran. Die Protagonisten sagen unaufhörlich, sie sei alternativlos. Die Digitalisierung zum Beispiel sei alternativlos, aber verschwiegen wird, welche Art von Digitalisierung hier erzwungen wird - als ob es nur eine Art gäbe. Die Privatisierung sei alternativlos, weil nur der Markt für bessere Zustände sorgen könne, aber verschwiegen wird, für wen diese besseren Zustände gedacht sind. Und die Kommerzialisierung sei alternativlos, da dringend neues Kapital im Gesundheitswesen gebraucht würde. Verschwiegen wird, dass der katastrophale Mangel an In- vestivkapital allein darauf beruht, dass ausnahmslos alle Bundesländer seit Jahren und zunehmend ihrem gesetzlichen Auftrag nicht nachkommen, die Krankenhäuser in ihrem Bestand ausreichend zu finanzieren. Verschwiegen wird, dass das Gesundheitswesen mit diesem neuen Kapital nicht mehr dasselbe ist, sondern automatisch zu einem Teil des Wirtschaftssystems wird.

Das Gesundheitswesen war bislang ein Teil unseres Sozialsystems. Die Sozialgesetze, nach denen es funktioniert hat und zum Teil immer noch funktioniert, sind zum großen Teil über 120 Jahre alt. Vor wenigen Jahrzehnten erst setzte die scheibchenweise Deformation ein, sozusagen eine Art kleinschrittiger Entdeckung des Gesundheitswesens durch den Kapitalismus, die zentripetale Expansion. Aus dem Gesundheitswesen wird die Gesundheitswirtschaft.

Im Zuge der Bekämpfung der Corona-Pandemie ist nach dem Übergang vom Gesundheitswesen zur Gesundheitswirtschaft jedoch ein weiterer großer Schritt vollzogen worden: Dem Gesundheitswesen wurde eine politische Aufgabe zugeordnet, um es zur Ausübung politischer Macht zu gebrauchen. Die hat inzwischen eine neue Dimension erreicht, eine Dimension, die man bisher nur aus mehr oder weniger hellsichtigen Science-Fiction-Ro- manen kannte. Im Zeichen der Corona-Pandemie wurden sämtliche ehernen Grundsätze des Gesundheitswesens und der Humanmedizin gebrochen. Die »Überlastung unseres Gesundheitswesens« als Horrorvision wurde zur »alternativlosen« Begründung für einschneidende Maßnahmen in jeden Alltag, von der Kinderkrippe bis zum Altersheim. Grenzen wurden geschlossen. Die Wohnung wurde zum abgeschotteten Ort der Berufsausübung, der Arbeit, des Kindergartens, der Schule und des Privatlebens gleichzeitig - kein Entrinnen. Und die Wissenschaft erlebte ihr Waterloo, besonders die medizinische, indem ihre Aussagen je nach Bedarf richtig oder falsch zitiert, hervorgehoben oder verschwiegen wurden. Ein Diskurs fand und findet nicht mehr statt. Alles andere als der Lockdown konnte nicht mehr begründet, geschweige denn diskutiert werden. Atemmasken waren anfangs schädlich, dann sinnlos, plötzlich Mangelware, aber dann überall vorgeschrieben. Darüber entschieden haben Politikerinnen. Nicht genehme Wissenschaftlerinnen und Beraterinnen wurden aus Gremien ausgeschlossen und nicht mehr angehört. Damit hatten sie auch jede weitere Teilnahme an der medialen Kakophonie verwirkt, insbesondere an Talkshows, wo Abend für Abend fast immer die gleichen Gäste ihre fast immer gleiche apokalyptische Botschaft verkünden konnten. (...)

Ein Infektionsschutzgesetz nach dem anderen ersetzte das vormalige Bundesseuchengesetz. Es wurde in raschem Rhythmus mehrfach immer wieder modifiziert, sprich: verschärft, insbesondere hinsichtlich der »Ermächtigungen« der Exekutive, die monatelang die Alleinherrschaft übernahm, und dies - das ist das eigentlich Neue - konnte sie nur mit Hilfe der Medizin. Legislative und Judikative hatten für längere Zeit abgedankt.

Deswegen genügt es nicht mehr nur, den schon weit beschrittenen Weg vom Gesundheitswesen zur Gesundheitswirtschaft kritisch zu beschreiben, sondern der nächste, um ein Vielfaches bedrohlichere Schritt von der Gesundheitswirtschaft zur Gesundheitsherrschaft ist längst und unbemerkt Realität geworden. Er kann nicht mehr ignoriert werden. Oder wie Heribert Prantl sagt: »Aus dem Ausnahmezustand wird ein Normalzustand, aus den Notregeln werden Normalregeln. Das ist unnormal, unstatthaft und gesellschaftsschädlich.«3 

 


 

Susanne Wolf: Eine Pflanze als Corona-Heilmittel?

Seit mehr als zwei Jahren ist Artemisia Annua (einjähriger Beifuß) als mögliches Heilmittel bei Covid-19 im Gespräch, doch Studien dazu versanden oder werden gar nicht erst finanziert. Pharmaindustrie, Politik und WHO spielen dabei eine zweifelhafte Rolle.
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Politische Hürden
Zurück zu Artemisia Annua und Covid 19: Der promovierte Pharmazeut Hans-Martin Hirt startete bereits im Februar 2021 eine Petition, die die Notfallzulassung von Artemisia Annua im Einsatz gegen Covid 19 forderte. Die Politik hat nie darauf reagiert.

Einer der Gründe dafür liegt bei der „Novel Food-Verordnung“ der EU, die 2018 in Kraft trat. Sie besagt, dass Lebensmittel – und dazu zählen auch Heilpflanzen –, die vor dem 15.5.1997 „in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet“ wurden, nicht mehr neu zugelassen werden müssen. „Diese Zulassung ist so streng, dass heute Zimt und Basilikum keine Zulassung mehr erhalten würden“, kritisiert Hirt gegenüber Multipolar.

„Wenn das Lebensmittel arzneiliche Wirkung hat, muss es als Arzneimittel zugelassen werden, wobei schon der Antrag Hunderttausende Euro kostet – und dennoch aussichtslos ist.“

Da Artemisia annua 250 Wirkstoffe habe, müssten für jeden einzelnen Wirkstoff klinische Studien gemacht werden, die unbezahlbar sind. „Mit anderen Worten: Wenn eine Heilpflanze nicht wirkt, wird sie verboten. Wenn sie wirkt, wird sie auch verboten.“ Der Treiber für die „Novel Food“-Verordnung sei die Angst vor der Gentechnik gewesen, sie sei jedoch über ihr Ziel hinausgeschossen. „Die 'Novel Food-Verordnung' schützt nicht den Verbraucher vor der Industrie, sondern die Industrie vor dem Verbraucher“, findet Hirt.

Der Pharmazeut verbrachte mehrere Jahre im Kongo, wo er von Einheimischen lernte, mit natürlichen Mitteln Krankheiten zu heilen. Beruhend auf seinen Erfahrungen gründete er den Verein „Aktion Natürliche Medizin in den Tropen“ (anamed) und begann zu Artemisia Annua zu forschen, das ihm bei einer Malaria-Erkrankung geholfen hatte. Da die Pflanze in den Tropen nicht wächst, arbeitete Hirt an der Entwicklung einer Unterart namens Artemisia Annua anamed (A3). Mit Teemana wurde eine eigene Firma gegründet, die diese Unterart nun vertrieb. Der Erfolg der Pflanze, die vorerst in afrikanische Länder exportiert wurde, führte dazu, dass auch hierzulande immer mehr Menschen den Tee haben wollten. Und damit begannen die Probleme: „Wenn ich sage, ich möchte mit dem Tee der armen Bevölkerung in Afrika helfen, findet das jeder toll. Wenn ich sage, ich möchte der Bevölkerung in Deutschland helfen, kriege ich Schwierigkeiten“, erläutert Hirt gegenüber Multipolar. Die EU-Kommission verbot den Vertrieb mit Hinweis auf die „Novel Food-Verordnung“.

Damit begann ein jahrelanger Rechtsstreit, dessen vorläufiger Höhepunkt eine Razzia mit bewaffneten Polizisten bei Teemana und im Büro von Hirt im Mai dieses Jahres war. „Wie ist es möglich, dass jetzt im Moment in Ostkongo die Entwicklungshilfeorganisation GIZ (Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) den Anbau und die Anwendung von Artemisia annua anamed finanziell fördert, das Landratsamt Rems-Murr diese Pflanze jedoch gleichzeitig als schädlich und verbotswürdig einstuft?“ fragt sich Irina Baumann von Teemana. Pikantes Detail: Artemisia Annua ist bei zahlreichen Anbietern, darunter auch Apotheken, weiterhin erhältlich.
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Einfluss der Pharmaindustrie

Die Macht der Pharmaindustrie steht seit Jahren in der Kritik. Das „Peoples Health Movement“, ein Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen aus über 70 Ländern, kritisiert den wachsenden Einfluss der Pharmaindustrie auf die WHO sowie deren zunehmende Abhängigkeit von privaten Geldgebern. Die WHO wird mittlerweile zu 80 Prozent von privaten Geldgebern und Stiftungen finanziert, zweitgrößter Finanzier ist die Bill und Melinda Gates Stiftung.

„Es sind zweckgebundene Zuwendungen, mit denen die jeweiligen Geber direkt Einfluss auf die Arbeit der WHO nehmen können“, kritisierte schon vor Jahren Thomas Gebauer, damals Geschäftsführer der Hilfsorganisation „medico international“. Der SWR berichtete 2019, wie „reiche Privatspender die Politik der WHO manipulieren“. Die Zahl der von der Pharmaindustrie finanzierten klinischen Studien steigt Jahr für Jahr, während unabhängige Studien immer seltener zu finden sind.

Doch parallel dazu vollzieht sich eine Wende: Wie mehrere Gesprächspartner berichten, wird das Wissen um die Heilkraft von Artemisia Annua in der Bevölkerung weiter gegeben. Der einjährige Beifuß wächst auch in unseren Breitengraden und kann problemlos im eigenen Garten angebaut werden. Es scheint, dass immer mehr Menschen einem alten Naturwissen mehr Vertrauen entgegenbringen als der Industrie und einer zweifelhaften Politik.

 


Bernhard Loyen: Evaluationsbericht: RKI-Chef Wieler im Urlaub – Minister Lauterbach "fand das Gutachten spannend"

Seit gut zwei Jahren wird den Bürgern in diesem Land in beeindruckender Regelmäßigkeit vor Augen geführt, wie sich die kooperierende und ausführende Politik und Teile einer respektierten, also ausgesuchten und geduldeten Wissenschaft, ungeachtet nachweislich negativer (Aus)Wirkungen verordneter Maßnahmen und Wirkstoffe, nur bedingt von dem sich dynamisierenden Leid der Menschen beeindrucken lassen.

Der Ton hinsichtlich der dringlichen Notwendigkeit einer gesamtgesellschaftlichen Aufarbeitung der Coronakrise, verschärfte sich in den zurückliegenden Wochen – ausgehend von einer zunehmenden Zahl medialer Berichte über massive Impfstoff-Nebenwirkungen, aber gerade auch über das stille Leiden der Kinder und Jugendlichen, alleinerziehender Erwachsener, sozial-prekärer Gesellschaftsgruppen bis hin zu den bekannten Auswirkungen der Maßnahmen im Bereich von Pflege- und Altenheimen. 

Der mit Spannung erwartete Bericht der Mitglieder der Sachverständigenkommission wurde nun schließlich am 1. Juli im Rahmen einer Pressekonferenz den politischen Entscheidern, in dem Fall dem Gesundheitsminister Karl Lauterbach, überreicht. Irritierenderweise fehlte an diesem wichtigen Tag im politischen Berlin jedoch das Gesicht der zweitwichtigsten verantwortlichen Behörde in der Coronakrise neben dem Bundesgesundheitsministerium (BMG), Lothar Wieler, der Chef des Robert-Koch Instituts. 

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[Lauterbach] "Also, ich blicke ja nicht zurück, was damals gewesen ist, wir haben damals nicht die perfekten Daten gehabt. Ich blicke nach vorne und mit dem Pandemieradar, den wir heute beschlossen haben, also bessere Daten tagesaktuell ab September … – ich schaue einfach nach vorne."

Er möchte also nicht zurückblicken, der permanente Mahner, Warner und Maßnahmen-Einforderer der Jahre 2020 und 2021. Und wie sieht es mit dem persönlichen politischen Radar des seit Dezember 2021 gesamtverantwortlichen Ministers Lauterbach aus? Nicht der Hauch eines Ansatzes reflektierender Selbstkritik, aus der in der Summe der Ereignisse von Fehlwarnungen, Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen eigentlich nur ein Rücktritt erfolgen kann, ist zu erwarten.
"Wir werden also adaptierte (angepasste) Impfstoffe haben, ich hoffe, wir bekommen die früh, es könnte aber sein, dass wir die erst Mitte/ Ende Oktober bekommen, die werden dann sehr wirkungsvoll sein."  
Mit den Erfahrungswerten vorhandener (Wirkstoff-)Daten und stetig steigenden Meldungen von massiven Impfnebenwirkungen (ab Min. 18:40) offenbart sich hier erneut das rein spekulative und anmaßende Wunschdenken eines gesamtverantwortlichen politischen Amtsträgers. Lauterbachs Resümee des Gutachten-Tages gegenüber den Zuschauern, also betroffenen Bürgern, zeigt die sich anbahnende "Weiter-So"-Politik aus dem BMG, hinsichtlich erneuter drohender Einschränkungen des Lebens im Herbst und Winter 2022:
"Das neue Gutachten ist da wichtig, darf aber kein Bremsklotz sein."
Es folgen Beispiele aus dem Gutachten – als Dokumente einer nur sehr bedingt effektiven Corona-Politik in diesem Land:

Zum Thema Ausweitung des IfSG (Seite 14): "Für das IfSG als Rechtsgrundlage der Pandemiebekämpfung besteht erheblicher Reformbedarf. So stellt die 'Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite' (§ 5 Abs. 1 IfSG) eine juristisch fragwürdige Konstruktion dar."

Zum Thema Meinungsfreiheit (Seite 55): "Kontroverse Meinungen gehören zu einer demokratischen Debatte dazu. Abweichende Ansichten müssen daher erlaubt sein. Die Gesellschaft sollte sich damit konstruktiv auseinandersetzen."

Zum Thema Impfungen (Seite 72): "Die Wirksamkeit der Impfung ... kann aus Gründen der Komplexität nicht behandelt werden. ... Die Evaluationskommission verweist daher auf das Robert-Koch-Institut und die STIKO."

Zum Thema Inzidenzwerte (Seite 80): "Auffällig ist der Rückgang der Inzidenzen ab Ende Dezember 2020 bis Februar 2021, der Maßnahmenindex steigt währenddessen weiter. ... Insgesamt ist ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Inzidenz und der Maßnahmenstärke nicht erkennbar."

Zum Thema 2G-/ 3G-Regelungen (Seite 87): "Die wenigen vorliegenden Studien ergeben zudem ein sehr heterogenes Bild, insgesamt erscheint die nachgewiesene Wirkung auf Bevölkerungsebene aber eher gering." Zum Thema "Unerwünschte Wirkungen" von Kontaktpersonennachverfolgung (KPN) (Seite 90): "Zusätzlich ist zu bedenken, dass die Anordnung und Kontrolle von Isolierung oder Quarantäne sowie die Befragung durch die Gesundheitsämter durch die örtlichen Ordnungsbehörden einen Eingriff in die Privatsphäre darstellen und Gefühle von Angst und Misstrauen hervorrufen können."

Zum Thema Schulschließungen (Seite 96): "Während der Schulschließungen wurden auch Depressionen bei Elternteilen als Auslöser für die Entwicklung von psychologischen Problemen bei Kindern festgestellt. Kinder waren der Gefahr ausgesetzt, sich den emotionalen Stress der Eltern anzueignen. Dies betrifft vor allem die sehr jungen Kinder, die solche Situationen noch nicht kannten."

Zum Thema "Wirkmechanismus von Masken" (Seite 99): "Ob das korrekte Tragen von Masken durch öffentliche Kampagnen gefördert und damit die Effektivität der Prävention gesteigert werden kann, ist plausibel, aber nicht untersucht."

Zum Thema "Verordnungsermächtigung (...) § 28c IfSG (Seite 151): "Ob geimpfte/genesene und möglicherweise auch getestete Personen von Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, ist eine in hohem Maße grundrechtsrelevante Frage, die nicht dem Verordnungsgeber überlassen werden darf. Es empfiehlt sich daher, zumindest den Status des 'Immunen' in den Katalog der Begriffsbestimmungen des § 2 IfSG aufzunehmen und in den §§ 28ff. IfSG."

Zum Thema Lockdown - "Individuen: Bestandsaufnahme und Folgen im Psychosozialen Bereich" (Seite 104): "So ergab eine Auswertung von GoogleTrends-Daten, dass im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum im Jahr 2019 die Suchanfragen zu den Themen 'Langeweile', 'Einsamkeit', 'Sorgen' und 'Traurigkeit' signifikant angestiegen sind."

Für sehr, sehr viele Menschen in diesem Land lautet das kritische Resümee für die Jahre 2020 bis in die Gegenwart: Nicht Corona, nicht COVID-19, hat mein Leben, das meiner Angehörigen, eingeschränkt, massiv manipuliert, auch zerstört. Nicht Corona hat dazu geführt, dass der Arbeitsplatz verloren ging, die Privatinsolvenz Realität wurde, oder dass die Liebsten nicht mehr gesehen werden durften. Nicht das Virus hat die Wirtschaft in den freien Fall gestürzt. Nicht Corona hat die geistige Gesundheit, die Entwicklung behindert oder zerstört, den Körper psychisch wie physisch malträtiert. Corona hat nichts von alledem getan. Verantwortlich dafür waren Politiker, die Regierung, die unterstützenden Abgeordneten.


 

 

 





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